Christine Flender / Markus Heuger (Köln)

Beatology - Musikwissenschaftliche Annäherungen an die Beatles-Songs

Der langjährige Beatles-Produzent George Martin forderte vor einiger Zeit gesetzliche Maßnahmen zur Begrenzung der Flut von Veröffentlichungen über die Beatles. Wer wie wir heutzutage einen analytischen Beitrag über die Musik der Beatles zur Diskussion stellt, muß bei der Leserschaft mit Skepsis, ja Überdruß rechnen.

Dies liegt nicht zuletzt an der derzeitigen enormen Medienpräsenz der Beatles im Rahmen des wohlorganisierten Rummels um das „Anthology“ - Medienpaket. Die Berichterstattung in Fernsehen, Rundfunk und Presse erschöpft sich nicht selten in der nostalgischen Beschwörung des „Fab Four“- Mythos. Dabei wird neben Interviews, in denen die verbliebenen Bandmitglieder beim Tee über alte Zeiten plaudern, bevorzugt auf die sattsam bekannten Dokumentaraufnahmen mit hysterisch schreienden Fans aus den frühen 60er Jahren zurückgegriffen: Beatlemania-Mania. Die Medien versorgen die Öffentlichkeit zudem mit Spekulationen über Tourneepläne, Einzelheiten über die Spannungen zwischen Yoko Ono und Paul McCartney und Wissenswertem über Liverpool. Hier und da findet sich sogar ein Hintergrundbericht über das Marketing-Konzept der EMI.

Abgesehen vom aktuellen Boom im Zusammenhang mit dem Comeback ist die Beatles-Literatur inzwischen kaum noch überschaubar. Das Spektrum reicht vom aufwendigen Bildband über die frühen Jahre in Liverpool für über 420 DM (SCHELER/KIRCHHERR 1994) bis zum Interpretationsbändchen zu den Lyrics aus der Feder eines deutschen Priesters (GEPPERT 1968). Der Lennon-Schulfreund Bill Harry hat eine ganze Enzyklopädie zusammengetragen (HARRY 1992), und auch George Martin veröffentlichte bereits zwei Memoirenbände (MARTIN 1979 u.1994). Sammler können auf diverse detailfreudige Spezialdiskographien zurückgreifen (z.B. HUBER 1995). Wer etwas über die Entstehung der Songs wissen will, greift zu Lewisohns Chroniken (LEWISOHN 1988 u. 1992), der Anekdotensammlung Turners (TURNER 1994) oder zu Mark Heertsgards als Sensation beworbenem Buch mit Enthüllungen während der Aufnahmesitzungen mitgeschnittener Gesprächsfetzen (HEERTSGARD 1995). Wer damit noch nicht zufrieden ist, kann sich neuerdings auf die Lacan-orientierten psychoanalytischen Deutungen der Beatles und ihrer Rezipienten durch den Literaturwissenschaftler Arthur W. Sullivan einlassen (SULLIVAN 1995).

Es scheint somit, als sei in Sachen Beatles längst alles gesagt. Um heute noch Interesse zu wecken, sollte man vielleicht mindestens mit dem endgültigen Beweis für die „Paul is dead“-These von 1967 aufwarten können.

Die Untersuchungen, die hier auszugsweise vorgestellt werden, sind zugegebenermaßen weitaus unspektakulärer. Sie erheben auch keineswegs den Anspruch, die Frage nach den Ursachen der Generationen übergreifenden Popularität der Beatles umfassend zu klären. Dennoch erscheint es uns sinnvoll, die Rolle der Musik, die in der Regel entweder wortreich mystifiziert („magische Melodien“) oder als sozialwissenschaftlich irrelevante Größe achselzuckend marginalisiert wird, eingehender zu betrachten. Dazu bedarf es allerdings zunächst einer möglichst genauen Beschreibung der musikalischen Struktur der Beatles-Songs.

Frühe musikwissenschaftliche Arbeiten konzentrieren sich auf bestimmte Ausschnitte aus dem Repertoire der Beatles, die unter dem Gesichtspunkt der musikalischen Entwicklung aus dem Gesamtkorpus herausgegriffen werden. In einer Apologie der Popmusik gegenüber sogenannten klassischen Komponisten geht Mellers auf die verschiedenen musikalischen Parameter ein, die er in Beziehung zu den Texten und zur Bandbiographie setzt (MELLERS 1973). Hartwich-Wiechell untersucht vor allem die Entwicklung der Primär- , Sekundär- und Tertiärkomponenten nach Rauhe innerhalb der ersten beiden Phasen des kompositorischen Schaffens der Beatles (HARTWICH-WIECHELL 1974). Eine weitere Arbeit in diesem Bereich (DIETTRICH 1979) sei noch der Vollständigkeit halber erwähnt.

Eine zweite Gruppe von Autoren unternimmt die Aufgabe, die Beatles-Songs möglichst vollständig zu beschreiben. Porter untersucht jeden einzelnen Song auf seine rhythmischen und harmonischen Besonderheiten (PORTER 1979). Pollack berücksichtigt zusätzlich Form und Arrangement (POLLACK). Ein stärkeres Interesse an Stilcharakteristika zeigt O’Grady, der immer auch eine integrative Sicht einbezieht (O’GRADY 1979a/1979b/1983). Einen sowohl chronologischen als auch typologischen Ansatz verfolgt Villinger in seinen Analysen (VILLINGER 1983).

Unter den zahlreichen Veröffentlichungen zu speziellen Fragestellungen reicht die Bandbreite von Schenker-Analysen einzelner Songs (EVERETT 1986/1987) über Betrachtungen zum kreativen Umgang mit der Studiotechnik (RILEY 1987) und Analysen stilspezifischer formaler Aspekte (RÖDER 1989) bis zu Ansätzen zur Betrachtung der LP als musikalischer Großform (GAULDIN 1990).

Im Rahmen einer neueren Studie zur Rezeption der Beatles in Adaptionen (HEUGER 1995) werden verschiedene Kategorisierungsmodelle des Beatles-Songkatalogs diskutiert. Ein mögliches Analysekriterium ist beispielsweise das der Urheberschaft. Zwar werden seit einer frühen Absprache zwischen McCartney und Lennon, grundsätzlich als Songwriter-Paar aufzutreten, die bis 1970 entstandenen Songs immer zu Lennon/McCartney-Songs deklariert. Dies wurde jedoch in späteren Interviews von beiden differenziert. Auf der Grundlage der Quellensichtung durch diverse Autoren lassen sich für die Beatles-Songs von 62-72 folgende Songwriterkategorien unterscheiden1 (Abbildung 1 stellt den gleichen Sachverhalt in Prozentzahlen dar2.):

Songwriter

Zahl der Songs3

John Lennon:

69

Paul McCartney:

69

George Harrison:

22

Ringo Starr (Octopus’ Garden und Don’t Pass Me By)

2

Zusammenarbeit Lennon/McCartney

20

Zusammenarbeit Lennon/McCartney/Starr
(bei What Goes On)

1

Zusammenarbeit Harrison/Lennon/McCartney/Starr
(bei Dig It)

1

Damit erweist sich, wie bereits Compton feststellte, die Ansicht, daß die meisten Beatles-Songs das Ergebnis direkter Teamarbeit zwischen Lennon und McCartney seien, als Legende. Bemerkenswerterweise ziehen beide in der Zahl der überwiegend unabhängig voneinander geschriebenen Songs gleich (69 Songs bzw. 37% der Eigenkompositionen).




Im Frühjahr 1973 stellte Allan Klein in Zusammenarbeit mit Lennon und Harrison zwei kommerziell außerordentlich erfolgreiche Doppel-LPs zusammen. The Beatles 1962-66 (auch „Rotes Album“) und The Beatles 1967-70 (auch „Blaues Album“). Etikettierungen wie „best of“ oder „greatest hits“ wurden damals vermieden. Es ist auch nicht belegt, nach welchen Kriterien die Auswahl getroffen wurde, dennoch ist davon auszugehen, daß diese Selektion die Popularität der 58 Titel widerspiegeln sollte. In jedem Fall wird seither die starke Verbreitung dieser Kompilationen (seit 1993 auch als CD) einen nicht unerheblichen Einfluß auf den Bekanntheitsgrad der jeweiligen Songs gehabt haben.




Betrachtet man den Anteil der Songwriterkategorien an dieser Auswahl, so ergibt sich im Vergleich zur Gesamtheit ein auffälliges Übergewicht der McCartney-Songs (48 %), das man in dieser Deutlichkeit nicht erwartet hätte (Abb. 2). Überspitzt formuliert hieße das: Wir meinen vielleicht öfter, als uns bewußt ist, McCartney, wenn wir Beatles sagen. Hier soll allerdings nicht die müßige Frage nach dem besseren Komponisten gestellt und der „Schnulzensänger“ McCartney gegen den „Rock-Intellektuellen“ Lennon ausgespielt werden. Vielmehr geht es um die Unterscheidung zweier Rezeptionsphänomene: Zum einen die unterschiedliche Akzeptanz der Songwriter-Kategorien, zum anderen das vertraute Kongenialitäts-Image, das von permanenter Zusammenarbeit zwischen Lennon und McCartney ausgeht.

Äußere Merkmale wie Urheberschaft oder Veröffentlichungsdaten lassen sich noch verhältnismäßig einfach bestimmen, ungleich komplexer wird es bei den innermusikalischen Strukturen.

Im Gegensatz zur Harmonik der Beatles, die verschiedentlich in umfassenden Untersuchungen behandelt worden ist, findet die Melodik zumeist nur dann Erwähnung, wenn der jeweilige Autor in einem bestimmten Song auf eine melodische Besonderheit aufmerksam machen möchte. Ausnahmen bilden die Arbeiten O’GRADY 1983 und VILLINGER 1983. O’Grady konstatiert einige Charakteristika, wie etwa die Betonung von einer oder zwei Stufen innerhalb einer Melodie oder Skalenmelodik mit einer stark ausgeprägten Direktionalität. Villinger stellt verschiedene typische Arten der Melodiebildung exemplarisch dar. Diese exemplarische Darstellung war Ausgangspunkt für eine computerunterstützte Vergleichsanalyse der Melodik der Beatles-Songs, die mittels der „Essener Software“, einer für die komparative Volksliedforschung entwickelten Autorensoftware, durchgeführt wurde (FLENDER 1995). Der Einsatz des Computers verlangt neben der computergerechten Kodierung des Untersuchungsgegenstands - also der Melodien - vor allem präzise formulierte Definitionen der in diesem Korpus vermuteten Charakteristika - mithin eine Operationalisierung jener Arten der melodischen Gestaltung, die für die Beatles als typisch erachtet worden sind. Auch wenn an dieser Stelle die verwendete Software nicht näher diskutiert werden kann, sei zumindest angemerkt, daß der verwendete Code, ESAC, ein relationaler Code (Solmisationscode) zur einstimmigen Erfassung von Melodien ist. Hieraus folgt, daß funktional-harmonische Zusammenhänge nicht untersucht werden konnten. Der Schwerpunkt der Analysen lag somit auf dem Aspekt der Tonhöhenorganisation. Dieser Aspekt wurde unter verschiedenen Gesichtspunkten, wie etwa Stilistik der Songs oder Präferenzen der verschiedenen Sänger, beleuchtet. Bevor einige der Ergebnisse dieser Untersuchung vorgestellt werden, sei zunächst auf das Verfahren eingegangen, mittels dessen quantitative Daten über das Korpus gewonnen werden konnten.

Zunächst wurde der Leadgesang der bis einschließlich 1970 veröffentlichten Originalkompositionen der Beatles transkribiert, maschinenlesbar kodiert und in melodische Phrasen unterteilt. Die von Villinger exemplifizierten melodischen Gestaltungsprinzipien ließen sich nur insoweit operationalisieren, als sie sich auf Vorgänge bezogen, die innerhalb eines einstimmigen Codes abgebildet werden konnten. Dieses Kriterium erfüllte beispielsweise seine Beobachtung, daß „in der unterschiedlichsten Weise [...] z.B. der Dur-Dreiklang - zerlegt in seine Einzeltöne - zur melodischen Gestaltung herangezogen [wird]“ (VILLINGER 1983:155). Der Begriff der „Deklamationsmelodik“ (VILLINGER 1983:174 ff.) mußte dagegen, von seiner Bindung an funktionale Zusammenhänge abgekoppelt, als Tonrepetition definiert werden. Beispiele für die Verwendung chromatischer und diatonischer Wechselnoten (VILLINGER 1983:143 f.) gaben Anlaß zu der Vermutung, daß diese innerhalb des Gesamtkorpus ebenfalls häufig auftreten würden. Relativ häufig schien auch deszendente Stufenmelodik zu sein. Der obere Tetrachord einer pentatonischen Bluesskala (Quinte, kl. Septime, Oktave), wie etwa zu Beginn von I Saw Her Standing There oder I Wanna Be Your Man, ist ein anderes melodisches Merkmal, das spontan mit weiteren Songs assoziiert und deshalb in den Katalog der möglicherweise typischen Gestaltungsprinzipien aufgenommen wurde.

Diese Beobachtungen und Vermutungen bildeten die Basis für die Definition von Suchmustern, die mittels der „Essener Software“ zu Suchprogrammen zusammengestellt wurden. Im einzelnen ermittelten diese Programme die Anzahl des Auftretens von aszendenten und deszendenten Tetrachorden aus verschiedenen heptatonischen Skalen (Stufenmelodik), von vier- bzw. achtmaligen Tonrepetitionen, Dreiklängen der einzelnen Stufen in Dur und Moll mit ihren Umkehrungen, zweimaligem Auftreten von Wechselnoten (Pendelmelodik), sowie das Auftreten des oben schon beschriebenen Tetrachords, der im folgenden als „Musem 5 7b 1“ bezeichnet wird4. Obgleich die Suchmuster sich wegen der Einstimmigkeit des Codes also lediglich auf die Tonhöhenorganisation beziehen, beschreiben sie schon eine relativ große Anzahl der auftretenden Gestaltungsmerkmale: die Wahrscheinlichkeit, daß eines der beschriebenen Suchmuster in einer melodischen Phrase auftritt, beträgt 78%. Treten diese Muster nun innerhalb des ganzen Korpus gleichmäßig stark auf, oder gibt es Gruppen von Songs, in denen sich ein vermehrtes Auftreten bestimmter Muster konstatieren läßt? Letzteres scheint der Fall zu sein. Anhand einer Gruppe von Songs, die im Vorfeld der Untersuchung aufgrund ihres Textes, ihres Sounds und ihres Rhythmus’ als Comedy-Songs kategorisiert wurden, soll dies im weiteren dargestellt werden5.

Innerhalb des gesamten Korpus von über 5.000 melodischen Phrasen waren die 10 häufigsten Merkmale (von insgesamt 30 Suchkriterien):

MERKMAL

WAHRSCHEINLICHKEIT

mindestens 4-malige Tonrepetition

16,6%

Stufenmelodik in Dur deszendent

14,9%

mindestens 8-malige Tonrepetition

7,1%

Stufenmelodik in Dur aszendent

5,8%

Stufenmelodik in Moll deszendent

4,8%

Durdreiklang der I. Stufe aszendent

3,6%

Musem 5 7b 1

3,6%

Pendelmelodik diatonisch deszendent

3,5%

Pendelmelodik diatonisch aszendent

3,0%

Durdreiklang der I. Stufe deszendent

2,3%

Bei den Songs der Kategorie Comedy fällt auf, daß die am deutlichsten hervortretenden Merkmale diejenigen sind, die auch im Hinblick auf alle Beatles-Songs mit am häufigsten erscheinen:

MERKMAL

WAHRSCHEINLICHKEIT

mindestens 4-malige Tonrepetition

35,7%

Stufenmelodik in Dur deszendent

28,6%

Durdreiklang der I. Stufe aszendent

25,1%

mindestens 8-malige Tonrepetition

19,2%

Stufenmelodik in Dur aszendent

10,6%

Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, in einer melodischen Phrase eines der Suchmuster zu finden, mit 140% wesentlich höher, als die schon erwähnte Wahrscheinlichkeit von 78% im Gesamtkorpus. Die Comedy-Songs orientieren sich teilweise thematisch am Kinderlied, wie etwa Yellow Submarine, Octopus’s Garden und All Together Now; oder ein zynischer Text konterkariert eine bewußt „harmlose“ Musik, wie in Piggies oder Maxwell’s Silver Hammer. Der Witz der entsprechenden Melodien scheint darin zu bestehen, daß die Melodik sich deutlich stärker am Klischee orientiert als dies bei anderen Songs der Fall ist.

Eine an dieser Stelle häufig gestellte Frage lautet: Ist dieser Aufwand wirklich nötig, um eine solche Aussage treffen zu können? Die Antwort heißt: Es scheint so! Wendet man die herkömmliche, philologische Betrachtungsweise an, ist diese häufig so stark auf das einzelne Stück ausgerichtet, daß ein Vergleich zwischen mehreren Songs unterbleibt. Wo ein Vergleich zwischen Formteilen unterschiedlicher Songs unternommen wird, bezieht sich dieser oft lediglich auf die Materialskala - eine Übereinstimmung in diesem Bereich ist für sich genommen aber nicht aussagekräftig genug, um von Ähnlichkeiten sprechen zu können. Als Beispiel sei hier angeführt, was einige Autoren, die schwerpunktmäßig im Bereich der musikalischen Analyse der Beatles-Songs gearbeitet haben, zur Melodik einiger früher, am Rock’n’Roll orientierten Songs schreiben:

Im Hinblick auf I Saw Her Standing There erwähnt Porter lediglich die Materialleiter: „First, the scale from which the melody is formed is a `blues mode´ which uses a lowered seventh and raised second degree“ (PORTER 1979:186). O’Grady sieht den Song als typisches Beispiel des „rhythm and blues-rock“ Stils der frühen Beatles an und erwähnt den formalen Aspekt der wie in der Bluestradition deutlich voneinander abgegrenzten melodischen Phrasen (O’GRADY 1979:223). Villinger macht auf die melodische Schlußwendung in Form einer deszendenten pentatonischen Skala aufmerksam (VILLINGER 1983:34). Mellers beschäftigt sich in einem Kapitel mit dem Titel Novice’s Departure: Prologue and Initiation eingehender mit diesem Song. Er sieht den Text, in dem holprige Phrasen für die Jugend und Unschuld des Sängers [Paul McCartney] stünden, durch die primitive Unschuld der Melodie noch unterstützt (MELLERS 1973:34f.).

In Can’t Buy Me Love konstatiert Villinger Dreiklangsmotivik (1983:156) und Bluesmelodik (1983:165). O’Grady weist auf das Verhältnis von am Blues orientierter Melodik zur erweiterten Harmonik hin (O’GRADY 1983:44f.). Mellers und Porter äußern sich zur Melodik dieses Songs nicht.

Die Richtigkeit dieser Beobachtungen soll nicht in Zweifel gezogen werden. Die Verwendung standardisierter Kriterien könnte aber bei der Definition von Charakteristika nützlich sein und als Ausgangspunkt für neue Theoriebildungen dienen. Als Beispiel und Anregung hierzu ist ein Diagramm gedacht, das die absolute Häufigkeit des Auftretens von Melodiebildungstypen im Verhältnis zur Anzahl der Melodiephrasen in einigen frühen Songs veranschaulicht (Abb. 3).



Wir sind daher der Meinung, daß mit diesen Methoden Resultate erzielt werden können, die mindestens so aussagekräftig sind wie die mehr oder minder blumigen Betrachtungen anderer Autoren. Ein interdisziplinärer Dialog in der Popularmusikforschung setzt eine präzisere Sprache voraus, als sie die Musikwissenschaft bislang pflegte. Daher erscheinen uns weitere Veröffentlichungen dieser Art durchaus wünschenswert - ob es George Martin nun paßt oder nicht.

Literatur

Compton, Todd. 1988. „McCartney or Lennon: Beatle Myths and the Composing of the Lennon-McCartney Songs“. In: Journal of Popular Culture 22.3, S. 99-131.

Diettrich, Eva. 1979. Tendenzen der Pop-Musik: Dargestellt am Beispiel der Beatles. Tutzing: Hans Schneider.

Dowlding, William S. 1992. Beatlesongs. New York: Fireside.

Everett, Walter. 1986. „Fantastic remembrance in John Lennon's Strawberry Fields Forever and Julia“. Musical quarterly, Vol. LXXII/3, S. 360-93.

---. 1987 „Text painting in the foreground and middleground of Paul McCartney's Beatle song She's Leaving Home: A musical study of psychological conflict“. In theory only Vol. IX/7, S. 5-21.

Flender, Christine. 1995. Computerunterstützte Vergleichsanalyse einstimmiger Gesangsmelodien der Popmusik - dargestellt am Beispiel der Beatles-Songs. [Magisterarbeit, Musikwissenschaftliches Institut der Universität zu Köln, unveröffentlicht.]

Gauldin, Robert. 1990. „Beethoven, Tristan, and the Beatles“. College music symposium Vol. XXX/1, S. 142-152.

Geppert, Georg. 1968. Songs der Beatles. Texte und Interpretationen. München: Kösel.

Harry, Bill. 1993. The Ultimate Beatles Enzyclopaedia. Zürich: Edition Olms.

Hartwich-Wiechell, Dörte. 1974. Pop-Musik: Analysen und Interpretationen. Köln: Gerig.

Heertsgard, Marc. 1995. The Beatles. Die Geschichte ihrer Musik. [A day in the Life. The Music and Artistry of the Beatles, deutsch]. München: Hanser.

Heuger, Markus. 1995. Die Bearbeitung als Rezeptionsform populärer Musik - am Beispiel der Adaption von Beatles-Kompositionen 1963-94. [Magisterarbeit, 3 Bde., Musikwissenschaftliches Institut der Universität zu Köln, unveröffentlicht.]

Huber, Walter M. 1995. Cancelled! The Beatles’ Unreleased Recordings. Niederhasli.

Lewisohn, Mark. 1988. The Beatles Recording Sessions: The Official Abbey Road Studio Session Notes, 1962-70. New York: Harmony Books.

---. 1992. The Complete Beatles-Chronicles. New York: Harmony Books.

MacDonald, Ian. 1995. Revolution in the Head. The Beatles’ Records and the Sixties. London.

Martin, George / Honsby, Jeremy. 1979. All You Need Is Ears, London: Macmillan.

Martin, George / Pearson, William. 1994. Summer of Love. The Making of Sgt. Pepper. London: Macmillan.

Mellers, Wilfrid. 1973. Twilight of the Gods: The Beatles in Retrospect. London: Faber & Faber.

Middleton, Richard. 1990. Studying Popular Music. Open University Press.

O'Grady, Terence J. 1979a. „Rubber soul and the social dance tradition“. Ethnomusicology Vol. XXIII/1, S. 87-94.

---. 1979b. „The ballad style in the early music of the Beatles“. College music symposium XIX/1, S. 221-230.

---. 1983. The Beatles: A musical evolution. Boston: Twayne.

Pollack, Alan W. Notes on...series. [http:\\kiwi.imgen.bcm.tmc.edu:8088/public/rbm.html]

Porter, Steven Clark. 1979. Rhythm and harmony in the music of the Beatles. [PhD diss., Music: City U. of New York, 1979].

Riley, Tim. 1987. „For the Beatles: notes on their achievement“. Popular Music Vol. 6/3, S. 257-271.

Röder, Thomas. 1989. „Beatles und Blues“. In: Rock, Pop, Jazz - musikimmanent durchleuchtet, hg. Helmut Rösing. Hamburg, S.58-67. (Beiträge zur Popularmusikforschung 7/8)

Scheler, Max / Kirchher, Astrid. 1994. Liverpool Days. Guildford.

Sullivan, Henry W. 1995. The Beatles with Lacan: rock’n’roll as requiem for the modern age. New York: Peter Lang .

Turner, Steve. 1994. A Hard Day’s Write. The Stories behind every Beatles’ Song. London: Carbon.

Villinger, Alexander. 1983. Die Beatles-Songs: Analysen zur Harmonik und Melodik. Freiburg: Hochschulverlag.

1Anmerkungen

Vgl. vor allem COMPTON 1988, außerdem DOWLDING 1992 und MacDONALD 1995. Dowlding versucht den Anteil der Autoren an den einzelnen Songs sogar in Prozentangaben aufzuschlüsseln. In diesem Text wird zur Vereinfachung nur zwischen intensiver Kooperation und überwiegender Einzelarbeit unterschieden. Die Songs, bei denen die Urheberschaft zwischen McCartney und Lennon strittig ist, wurden der Kategorie Zusammenarbeit Lennon/McCartney zugewiesen.

2Die Abkürzungen entsprechen den Initialen der Bandmitglieder.

3Berücksichtigt werden hier lediglich die bislang üblicherweise zum „Kanon“ zusammengefaßten offiziell von den Beatles veröffentlichten Eigenkompositionen der Jahre 1962-70. Die zahlreichen Cover-Versionen der BBC-Sessions werden also an dieser Stelle ebensowenig betrachtet wie die Demo-Bänder eigener Kompositionen für andere Interpreten und die neuen Singles wie Free As A Bird.

4MIDDLETON (1990:189) schlägt den Begriff „museme“ vor; eine Bezeichnung für die kleinste Einheit musikalischen Ausdrucks im Rahmen eines musikalischen Systems, die nicht weiter geteilt werden kann, ohne ihre Bedeutung zu zerstören.

5Im einzelnen waren dies: All Together Now, Carry That Weight, Hello Goodbye, Maxwell’s Silver Hammer, Mean Mr. Mustard, Ob-La-Di, Ob-La-Da, Octopus’s Garden, Piggies, The Continuing Story Of Bungalow Bill und Yellow Submarine.


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