Don’t call my music POPULARMUSIK!

Anmerkungen zu einem akademischen Phantom



  • Erschienen in: „...und der Jazz ist nicht von Dauer. Aspekte afro-amerikanischer Musik.Festschrift Alfons Michael Dauer.herausgegeben von Bernd Hoffmann und Helmut Rösing. CODA Karben 1998

MARKUS HEUGER (Köln)


ABSTRACT:

Ausgehend von Alfons Michael Dauers Kritik des Jazzbegriffs als Stigmatisierungsinstrument betrachtet der Beitrag den Begriff Popularmusik und seine Varianten Populärmusik bzw. Populäre Musik. Nach einem Exkurs zur Debatte um die Trennung der Musikkultur in E und U und Schlaglichtern auf die Forschungsgeschichte wird die Problematik aktueller Konzeptionen eines Forschungs- und Lehrgegenstands Popularmusik erörtert. Mit der Etablierung von Popularmusik-Themen in Schule und Hochschule verlagert sich die Stigmatisierung disparater Musikformen, wird aber nicht aufgehoben. Popularmusikforschung definiert sich heute nicht durch einen klar umrissenen Gegenstand, beansprucht statt dessen eine andere, irgendwie ganzheitlichere Sichtweise musikalischer Prozesse. Die ehemaligen Stigmatisierungs-Vokabeln Popularmusik- bzw. Populäre Musik werden jedoch als Indikatoren für (unbestimmte) Alternativität oder Fortschrittlichkeit beibehalten. Gleichzeitig behindern unnötige Diskursbarrieren innerhalb der Forschung den wissenschaftlichen Austausch. Das Festhalten an einer unspezifischen Popularmusik-Kategorie stabilisiert nach Meinung des Autors exklusive Musikkonzepte, anstatt sie in Frage zu stellen.

Schon wieder!

Im Idealfall sollten am Ende einer Diskussion um terminologische Fragen konsensfähige Definitionen stehen. In der Realität gibt es hingegen allenfalls eine Kaffeepause. Die ist angesichts des ermüdenden Charakters solcher Debatten in der Regel auch nötig. Wer sich auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem Grundwortschatz einer Disziplin einläßt, steht daher bald im Verdacht, das Publikum mit unproduktiven Wortklaubereien strapazieren zu wollen.

Daß dies nicht zwangsläufig so sein muß, hat Alfons Michael Dauer in seinem 1993 veröffentlichten Aufsatz „Don’t call my music Jazz!“ vorgeführt, dem der Titel dieser form-, aber hoffentlich nicht folgenlosen kleinen Polemik unübersehbar seine Inspiration verdankt.1 In seinem Beitrag beschäftigt sich Dauer mit der Etymologie und Wirkungsgeschichte des Jazzbegriffs. Dabei belegt er die Funktion der Vokabel Jazz als „stigmatisierende Abqualifizierung“ und korrigiert zugleich das herrschende Geschichtsbild zur Entstehung des Jazz. Dauer zufolge unterschlägt unsere Vorstellung von der Jazzgenese die Kontinuitäten der „zweiten Welt der Musik in Amerika“ und versperrt darüber hinaus den Blick auf ihre europäischen Wurzeln. Der daraus abzuleitenden Forderung, (Welt-)Musikgeschichte auch als Geschichte von Stigmatisierungen zu schreiben, ist Dauer selbst mehrfach nachgekommen.2

Daß „der” Jazz gerade in der deutschen Perzeption zumindest in der ersten Jahrhunderthälfte weniger durch musikimmanente Strukturen oder gesellschaftliche Fakten definiert war, sondern eher als Projektionsfläche für spießbürgerliche Phantasien vom ‘Unanständigen an sich’ fungierte, ist inzwischen umfassend dokumentiert.3 Gleichwohl handelt es sich bei der Stigmatisierung nicht um eine abgeschlossene, historische Angelegenheit. Der Konnotationswert der Jazzvokabel mag sich seit den Zeiten der Original Dixieland Jazz Band gewandelt haben, das Phänomen der Stigmatisierung blieb uns jedoch erhalten.


Angesichts des Auftritts des Quartetts um Michael Riessler bei den Wittener Tagen für Neue Kammermusik 1996 notierte Heinz-Klaus Metzger in der ZEIT irritiert die Verwandlung des Publikums in „eine Horde johlender U-Musik-Fans“.4 Wie es zu dieser Entweihung des Festivals kommen konnte, ist nicht bekannt. Hatte Riessler das Publikum tatsächlich „verhext“, wie Metzger vermutet?5 Oder waren die Kontrollen vor dem Konzert einfach zu nachlässig gewesen, so daß auch Unwürdige Einlaß fanden?

Was Metzger gemeint haben könnte, läßt sich anhand eines etwa zeitgleich veröffentlichten Beitrags für die Neue Zeitschrift für Musik erahnen, in dem er mit zünftigem Kulturpessimismus gegen die „totalitär“ gewordene „Diktatur der Unterhaltungsindustrie“ und ihrer „Folter“, der „leichten Musik“ sprach, die „aus allen Lautsprechern - mancherorts sogar auf den Toiletten, wo sie in gewisser Weise hingehört - quillt“.6 Außerdem: „Der primitive oder raffinierte Schund wird schon den Kindern eingetrommelt und längst hat überwältigende Erfahrung bewiesen, daß vollgedröhnte Kids später kaum eine Chance haben, der Musik gegenüber Wahrnehmungsfähigkeit oder gar Phantasie und Intelligenz zu entwickeln.“7 Wir erfahren nicht viel über die Ingredienzien der von Metzger erwähnten akustischen Abführmittel und auch nicht, womit die unschuldigen Kinder im einzelnen gequält werden. Fest steht nur: „Die einzige Negation all dessen heißt Neue Musik.”8

Das Verfahren, die Überlegenheit eigener Präferenzen, Hörgewohnheiten und Ideologien vornehmlich durch die Stigmatisierung des musikalischen Verhaltens anderer zu suggerieren ist, wie Dauer 1993 gezeigt hat, musikhistorisch nicht neu.

Metzger, der in seinen Feldzügen verdienstvollerweise die Classic-Labels und ihr Geschäft mit dem Historismus ebenso anprangert wie die akademische Heldenverehrung, bedient sich dabei immerhin auch eindeutiger Stigmatisierungsbegriffe wie z.B. „Schund“.

Wer sich in Hochschulen und Universitäten mit Phänomenen wie Musik auf öffentlichen Toiletten oder „vollgedröhnten Kids” beschäftigt, hört dagegen seltener so eindeutige Worte. In musikwissenschaftlichen Seminaren und musikpädagogischen Instituten stoßen wir in solchen Zusammenhängen um so häufiger auf das Stichwort Popularmusik. Analog zu Dauers Auseinandersetzung mit dem Jazzbegriff soll daher der vorliegende Text zum Nachdenken über Begriffe wie Populäre Musik bzw. Populär- oder Popularmusik anregen. Die Perspektive ist dabei zwangsläufig durch den beschränkten Erfahrungs- und Theoriehorizont eines Musikwissenschaftlers9 bestimmt. Die Nachbardisziplinen der Musikwissenschaft scheinen in der Sondierung ‘des Populären’ fortgeschrittener zu sein.10 Das heißt allerdings nicht, daß hier nichts mehr zu verbessern wäre. Vielleicht könnten den Nachbardisziplinen auch neue theoretische Impulse aus der Musikwissenschaft nicht schaden. Die sind jedoch nicht zu erwarten, solange sich dieses Fach vorwiegend als Hilfswissenschaft für historische Aufführungspraxis versteht.


Schon auf der lexikalischen Ebene treten offenbar Probleme mit dem Populären auf: Warum gibt es im Deutschen gleich ein Bündel von Vokabeln für das englische popular music? Sind alle gleichbedeutend? Welche wäre wann und warum vorzuziehen?

Zweitens ergeben sich auf der Ebene der Definition einige Fragen: Wie soll eine Definition aussehen? Kann es eigentlich eine Definition geben? Braucht man überhaupt eine?

Drittens wäre zu klären, welche Musikformen im einzelnen dieser Kategorie zuzuordnen sind, und mit welcher Begründung.

Viertens verdienen in diesem Zusammenhang eben diese Leute kritische Aufmerksamkeit, die sich um Form, Funktion und Möglichkeit von Definitionen streiten oder diese Wörter aus anderen Gründen in den Mund nehmen oder zu Papier bringen (Das wäre die Ebene der Diskurskritik ).


Exkurs: Wie popular ist U?

Die Diskussion um das Begriffsfeld Popularmusik / Populäre Musik / Populärmusik darf nicht mit jener um die Trennung der Musikkultur in E und U verwechselt werden, allerdings sind beide eng miteinander verbunden, so daß sich ein Exkurs zum aktuellen Stand empfiehlt:

Im Streit um die Konzerte der Drei Tenöre erläuterte GEMA-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Reinhold Kreile die Position seiner Organisation wie folgt:

„Ob es sich hier bei einem musikalischem Werk um eines der ernsten Musik (E) oder eines der Unterhaltungsmusik (U) handelt, richtet sich nicht nach dem Interpreten, sondern nach dem Charakter des Werkes selbst. Wenn Pavarotti die Tenor-Arie des Rosenkavalier singt ist dies E-Musik; singt er ‘O sole mio’ ist dies U-Musik. Beides singt er herrlich, aber das ändert den Charakter des Liedes nicht!“11

Andererseits weisen GEMA-Vertreter inzwischen gern darauf hin, daß E und U für sie „keine ästhetischen Kategorien, sondern organisatorisch notwendige technische Begriffe bzw. Tarifmerkmale“ seien, die sich nicht auf Werke sondern auf Veranstaltungstypen beziehen sollen.12 Damit distanzierte sich die Urheberrechtsgesellschaft immerhin von einer an autonomen Werken orientierten Betrachtungsweise von Musik, wie sie noch durch manches Seminar spukt. Andererseits würde das Problem der Legitimität der jeweiligen E/U- Einteilungen nur verlagert, mitnichten gelöst. Und in Streitfällen entscheidet bezeichnenderweise doch wieder ein „Werkausschuß“ anhand der Partitur über die Zuordnung, wobei etwa eine E-Gitarren-Stimme mit Akkordsymbolen in der Partitur eines mehrsätzigen Orchesterwerks schon verhängnisvoll sein kann.

Dahlhaus zufolge erweist sich die Unterscheidung zwischen E und U bereits „durch eine Widerlegung der These, daß die U-Musik verbrauchtes Material der E-Musik benutze, oder durch eine Entkräftung der Konsequenz, daß daraus eine Abhängigkeit von ästhetischen Kriterien der E-Musik resultiere“, als hinfällig.13 Um ein der Unterhaltung verdächtigtes Stück Musik zu entlasten, bedürfte es also nur eines Vergleichs mit den „ästhetischen Kriterien der E-Musik“. Solange jedoch kein Konsens darüber existiert, worin diese bestehen könnten, bleibt die Angelegenheit ein Fall für Komissar Gutdünken von der Materialstandspolizei.

In Bezug auf die Verwendung der unter E bzw. U abgelegten Tonträger im Rundfunk kommt eine neuere empirische Untersuchung von Andreas Wernsing zu folgendem Ergebnis: „E- und U- Musik erhalten im Radioprogramm gleiche Funktionen. Weder immanente ästhetische Differenzen noch organisatorische Unterschiede führen durchgängig zu kategorieller Verschiedenheit der Musik im Rahmen ihres Programmeinsatzes.“14 Für Wernsing folgt aus diesem Resultat verblüffenderweise in erster Linie, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihrem Programmauftrag nicht nachkommen: „Denn wird die Musik im organisatorischen Sinne systematisch nach zwei Polen geschieden, dann dürften jeweils nur die an einem Pol versammelten Titel spezifische Programm-Aufgaben übernehmen, nämlich entweder Funktionen musikalischer Bildung oder Funktionen musikalische Unterhaltung.“ Dem liegt die Prämisse zugrunde, daß die jeweiligen Titel per se - also unabhängig von den jeweiligen Rezeptionsvoraussetzung - unterhaltende bzw. bildende Wirkung bei den Hörern entfalten. Das ist jedoch zu bezweifeln.

Die U- und E-Dichotomie erfreut sich dennoch, wie andere irrationale Traditionen, die Stabilität und Geborgenheit verheißen, noch immer einer gewissen Akzeptanz, vor allem im Verwaltungssektor. Damit werden wir auch weiterhin zu leben haben. Als theoretisches Fundament einer wissenschaftlichen Disziplin taugt sie allerdings nicht.


Worüber reden wir eigentlich?

Die Zeiten, in denen popular music lediglich als Etikett für die Rubrik der meistverkauften Titel in den amerikanischen Charts fungierte, sind vorbei.15 Nicht zuletzt mit der Rezeption von Adornos 1941 veröffentlichten Aufsatz „On Popular Music“ wurde der Begriff in den verschiedenen mit Musik befaßten Disziplinen immer geläufiger - und unschärfer. Ein institutioneller Höhepunkt in der Geschichte der Etablierung des Begriffs war die Gründung der International Association for the Study of Popular Music im Jahre 1981. Doch schon bei der Gründungskonferenz der IASPM in Amsterdam machte Charles Hamm auf eine Grundschwierigkeit dieser Organisation aufmerksam:


„We have a problem. We don’t know, what we’re talking about.“16


Konsequenterweise war die Folgekonferenz in Reggio Emilia der Frage „What is Popular Music?“ gewidmet.17 Eine ähnliche Diskussion kam im Zusammenhang mit der Formierung des (west-) deutschen ASPM 1986 auf, bei der vor allem Wulf Dieter Lugert Kritik am Popularmusik-Konzept übte.18 Abgesehen von der Veröffentlichung der erwähnten Beiträge hat es seither eine imposante Fülle von Publikationen zum Thema gegeben. Beeindruckend ist aber auch, wie schnell diese Texte in Vergessenheit geraten bzw. von vornherein ignoriert werden.19 Und so geschieht es, daß das Rad der Popularmusikforschung bzw. (um im 90er-Trend zu bleiben) des akademischen Pop-Diskurses immer wieder mit der Attitüde einsamer Pioniere oder trotziger Wissenschaftsrevolutionäre neu erfunden wird. In der Popularmusikforschung ist seit Jahrzehnten Gründerzeit.

Hier ist nicht der Ort, die mehr oder weniger unterschiedlichen Definitionsansätze im einzelnen erneut vorzustellen und zu kategorisieren. Dazu sei auf die Arbeiten Peter Wickes (1991), Jürgen Terhags (1989) und Mechthild von Schoenebecks (1987) verwiesen. Bündige Ausführungen zu dieser Frage finden sich auch in Richards Middletons Standardwerk Studying Popular Music von 1990.20 Helmut Rösing (1996) hat die Terminologie-Diskussion zuletzt um eine empirische Komponente bereichert. Ich möchte mich im folgenden auf einige unsortierte Bemerkungen zu Voraussetzungen und praktischen Konsequenzen der Definitionsdebatte beschränken. Mit den hier versammelten Spitzfindigkeiten geht es mir aber nicht darum, von einer vermeintlich höheren Warte aus zu philosophieren; insofern gilt die Kritik, die ich hier vortrage, auch meinen eigenen Arbeiten.21

Popularmusik heute

Was Popularmusik heute heißen kann, läßt sich vielleicht anhand zweier Anekdoten verdeutlichen:

  1. Das Musikwissenschaftliche Institut der Universität zu Köln schreibt seinen Studierenden im Grundstudium die „aktive Teilnahme am Collegium Musicum“ vor. Alternativ zu den üblichen Klangkörpern Orchester und Chor kann man dieser Verpflichtung seit einiger Zeit auch im Rahmen der sogenannten Popularmusik-AG nachkommen. Ein Blick auf das Programm des Semesterabschlußkonzerts der Popularmusik-AG am 11.07.1996 verspricht also einigen Aufschluß darüber, was heute unter diesem Begriff zu verstehen ist22: Neben James Brown-Nummern und Bossa Nova-Titeln zur E-Gitarre oder der Komposition Jeder Nebel löst sich auf für zwei Klaviere finden wir dort auch den Zyklus Harmonielehre I-IV. Zwei Angklung-Ensembles beleben die Tanzfläche mit einem Molukkischen Volkslied. Die Rocklegende Johannes Brahms ist gleich zweimal vertreten (op. 118 und 79) und natürlich darf auch ein Chartstürmer wie Henry Purcell nicht fehlen (Auszüge aus der Oper The Fairy Queen). Dabei handelt es sich allerdings nicht um schlagzeugunterlegte Synthesizer-Neufassungen. Abschließend sei noch erwähnt, daß die Popularmusik-AG bis 1994 als Jazz-AG firmierte.

  2. Im Keller der berühmten Instrumentensammlung des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz stößt der musikinteressierte Hauptstadt-Tourist unweit der in aller Sorgfalt und Ausführlichkeit dokumentierten Instrumente der russischen Jagdmusik derzeit (im Herbst 1996) auf ein Podest mit einer nicht näher bezeichneten Installation. Diese besteht aus einer historischen Gibson Super 400, einem noch wesentlich älterem Kontrabass, einem DX 7-Keyboard und einem Yamaha-Drumset, vermutlich aus den frühen 70er Jahren mit einem Klavierhocker. Die Buchse des Portamentopedals am DX 7 ist mit der Line 2-Buchse einer Monitorbox verbunden.

Museale Vision eines Popularmusikensembles
Berlin, Staatliches Institut für Musikforschung 1996
Foto: Flender / Reuter

Auch ein Betrachter mit wenig Band-Erfahrung erkennt, daß es sich hierbei um ein höchst merkwürdiges Ensemble handelt, das außerhalb von Museen und Lehrbüchern eher selten zu finden ist. Was wie eine künstlerische Thematisierung der Postmoderne anmutet, ist wahrscheinlich schlicht der Versuch, disparate Einzelstücke, mit denen man so recht nichts anzufangen weiß, raumsparend zu bündeln (Und es bleibt abzuwarten, wann sich ausgemusterte Steeldrums und Turntables dazugesellen).


Das Ergebnis solcher Kombinationen ist die Konstruktion der Kategorie Popularmusik. Die Vokabel Popularmusik ließe sich hier wohl am besten mit Restmusik übersetzen.


Was ist Popularmusik(-forschung)?

Es war der britische Musiksemiotiker Philip Tagg, der vier Jahre nach seinem eigenen Vorstoß von 1979, das Definitionsproblem mit einem axiomatischen Dreieck theoretisch in den Griff zu bekommen, in Reggio Emilia mit einer ebenso schlichten wie provozierenden Formel aufwartete: „popular music = excluded music“.23

Als Popularmusik wäre somit sämtliche Musik zu fassen, die in welcher Form auch immer verdrängt und -um es mit Dauer zu sagen- stigmatisiert wird, beispielsweise im Kontext öffentlicher Bildungsinstitutionen. Darunter fällt etwa die tarifliche Benachteiligung von Big-Band-Leadern gegenüber Orchesterdirigenten ebenso wie der Ausschluß von Stichwörtern wie Remix oder Karaoke aus allgemeinen Musiklexika, in denen Ricercar und Kantate ausführlich erläutert werden.

Ob diese Ausgrenzungen ideologisch motiviert sind oder aus einer gewissen Unbeholfenheit resultieren, ändert nichts am Ergebnis. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Tagg diese Formel nicht im Rahmen einer Abhandlung über Popularität vorgeschlagen hat, sondern in einer Art forschungspolitischem Manifest, in dem die Aufgaben und Ziele der IASPM festgeschrieben werden sollten. Den Schriften aus den frühen Tagen der Popularmusikforschung24 ist zu entnehmen, daß sich dieselbe zumindest teilweise als Reaktion auf die Ausgrenzungen der Stammdisziplinen, insbesondere der Musikwissenschaft, verstanden hat. Die „Verfechter der U-Musik“ (so nahm Dahlhaus sie wahr) fühlten sich gewissermaßen als wissenschaftlicher Arm einer Protestbewegung gegen den etablierten Lobbyismus des guten Geschmacks und für die Emanzipation der Musik der Masse oder der Musik des Alltags.


Tatsächlich ist aber auch die Popularmusikforschung nicht vor Kanonbildung und von blinden Flecken gefeit. Dave Harker hat mit Nachdruck und statistischer Akribie auf die Ignoranz der Popular Music Studies gegenüber äußerst populären Phänomenen der 60er Jahre wie z.B. dem Musicalfilm „The Sound of Music“ oder Bing Crosby’s Weihnachstplatten hingewiesen, die zugunsten einer Stilisierung der 60er zur Ära der Beatles und der Stones unter den Teppich gekehrt werden.25 Auch an der merkwürdigen Stellung der Jazzforschung in diesem Popularmusikdiskurs läßt sich die Dynamik von Ausgrenzungsprozessen ablesen: Während in früheren Jahren Jazz selbstverständlich dazugehörte, findet er sich heute, da sich Popularmusikforschung eher als Jugendkulturwissenschaft begreift, nicht selten als historische bzw. Elitenmusik marginalisiert, wird aber zugleich im Vorwort zur neuen MGG zu einem „Gegenstand mit bereits erheblicher und komplexer Geschichtstiefe“ geadelt. 26


Nicht jedem ist die Flexibilität gegeben, mit der sich Ansgar Jerrentrup nach grundlegenden Arbeiten zur Frühgeschichte der Rockmusik vor einigen Jahren anschickte, die Techno-Kulturen von innen kennenzulernen. Oftmals stehen die einstigen Pop-Experten, wenn der eigene Geschmack erst einmal einen Stammplatz im Vorlesungsverzeichnis, Schulbuch oder Feuilleton erobert hat und kein Karrierehindernis mehr darstellt, jüngeren Entwicklungen ratlos bzw. undifferenziert ablehnend gegenüber, sofern sie sie überhaupt wahrnehmen. Jürgen Terhag hat die Vorbehalte der pädagogischen Vertreter erwachsener Jugendkulturen gegen neuere Tendenzen des Musiklebens bereits im Zusammenhang mit der Neuen Deutschen Welle dokumentiert.27 Es ist nicht zu erwarten, daß sich ihnen die Dancefloor-Szenen der späten 90er Jahre leichter erschließen. Nach den „geängstigten Musikologen“ die Hans Peter Reinecke porträtiert hat, treten also mittlerweile auch die irritierten Popularmusikforscher ins Blickfeld.28


Dabei gilt es u.a., eine naive Vorstellung von Popular Music Studies als herrschaftsfrei-interdisziplinäres Utopia zu korrigieren, denn es ist nicht zu übersehen, daß die Popularmusikforschung keineswegs über die Anfechtungen des akademischen Betriebs erhaben ist. Auch hier funktionieren exklusive Zitierkartelle, blockieren Vereinsmeierei und andere Eitelkeiten den wissenschaftlichen Austausch. In diese Rubrik gehören die einander überlagernden, teils offenen, teils unterschwelligen Konflikte (oder Verteilungskämpfe), wie zum Beispiel jene zwischen national operierenden und international orientierten Organisationen (ASPM-IASPM), zwischen sog. Musos (Immanent-Musikologen, mit Hang zur Letztbegründung durch Notenbeispiele) und Cult Studs (Kulturwissenschaftler mit übertriebener Neigung zu Baudrillard-Zitaten)29, zwischen Folkforschung und Free Jazz-Studien, zwischen Empirie und Theorie, zwischen Pädagoginnen und Wissenschaftlerinnen und zwischen Afro-Amerikanistik und Gender Studies. So bedauerlich und ärgerlich das alles gelegentlich erscheinen mag, es ist auch zutiefst menschlich und wissenschaftssoziologisch gesehen wenig verblüffend.


Popularmusik oder die Notwendigkeit begrifflicher Ärgernisse

Ist also die Kategorie Popularmusik bzw. Populäre Musik eine Fiktion? Gut 15 Jahre nach der IASPM-Gründung verhehlt David Horn, Direktor des Institute of Popular Music in Liverpool nicht, darüber froh zu sein, daß er nur selten gefragt werde, was mit Popular Music gemeint sei.30

Peter Wicke nennt die Vokabel Popularmusik ein „Sprachungetüm“ und hält auch den Terminus populäre Musik für „alles andere als glücklich“.31

In einem Musiklexikon für Schüler und junge Erwachsene gibt es einige Erläuterungen zum Stichwort Populäre Musik, hingegen keine Definition: „Damit [mit dem Begriff Populäre Musik (M.H.)] ist noch nichts über bestimmte Musikgattungen oder Musikbereiche gesagt“, heißt es dort. Und weiter: „Der Begriff ‘populäre Musik’ ist also unscharf.32 Helmut Rösing hielt 1989 fest: „dass es das Publikum populärer Musik ebensowenig gibt wie die populäre Musik“.33 Christian Kaden spricht von einem „klassifikatorischen Konstrukt“, das Sphären überspanne, die eigentlich unvereinbar seien.34 Die Liste von Autorinnen und Autoren, die sich über die Begriffe populäre Musik / Popularmusik beklagen, ließe sich abendfüllend fortsetzen. Auf der anderen Seite halten zumindest alle hier genannten daran fest.

Terhags Stellung zu den Begriffen populäre Musik oder U-Musik ist ebenfalls zunächst ablehnend: „Sprachlich und als Gattungsbegriff betrachtet sind sie wertlos.“

Im schulischen Zusammenhang sieht er andererseits Gründe für ein „Beharren der Musikpädagogen auf sinnlosen Begriffen“. Aus pädagogischer Sicht nämlich könne „die Verwendung eines Sammelbegriffs für unterschiedliche Musikarten, die ähnlichen didaktischen Bedingungen unterworfen sind oder waren, durchaus sinnvoll und hilfreich sein (...)“.35

Auch Wicke plädiert (mit John Shepherd) für ein Festhalten an der problematischen Nomenklatur: „Der Begriff populäre Musik ist, wie die meisten Genre- und Gattungsbezeichnungen in der Musik, nichts anderes als ein sprachliches Etikett, das komplexen und historisch veränderlichen Phänomenen zur Vereinfachung der Verständigung angeheftet wird. Insofern gibt es gar keine andere Wahl, als solche einmal eingebürgerten Termini zu akzeptieren (...).“36

Rösing hält die Terminologie ebenfalls trotz allem für unverzichtbar: „Dennoch, trotz dieser inhaltlichen Unangemessenheit der Begriffe kommen wir nicht umhin, sie als allgemeinverständliche Etiketten dort zu verwenden, wo es um die Gruppierung der vielfältigen musikalischen Erscheinungsformen in überschaubare Einheiten geht.“37

Bei Dahlhaus hieß es dagegen immerhin noch strikt und lapidar: „Auch eine Sprache, die jeder, der sie benutzt, als falsch durchschaut, richtet Schaden an.“38


Was war nochmal Musik?

David Horn hat angeregt, den Schwerpunkt der Diskussion um popular music, der bislang beim Adjektiv popular lag, auf den Musikbegriff zu verlagern.39 Parallelen zu diesem Gedanken finden sich u.a. bei Wicke, dem es letztlich nicht mehr um ein Ensemble von Gattungen, sondern „um eine bestimmte soziale Dimensionierung - oder anders formuliert - eine bestimmte, nämlich mediale Operationalisierung von Klang“40 geht. Rösing sieht Populäre Musik und Popularmusik an Reinecke anknüpfend als „Chiffren für eine bestimmte Musikanschauung“ im Licht des radikalen Konstruktivismus.41

Demnach wäre Popularmusikforschung nicht mehr historisch begrenzt auf bestimmte Nachkriegsjugendkulturen, an hohe Tonträger-Verkaufszahlen42 oder eine Theorie der Kulturindustrie43 gebunden oder auf afro-amerikanische Musiktraditionen44 bezogen, sondern jede Art von Musikforschung, die Musik nicht mehr als Objekt sondern als vieldimensionalen Prozeß begreift. Damit deutet sich ein Wechsel im Selbstverständnis von Popularmusikforschung an: Weg von der Definition durch einen besonderen Gegenstand („excluded music“) hin zur Abgrenzung durch die Andersartigkeit der Betrachtungsweise. Nicht durch äußere Stigmatisierung des Themenkreises, sondern durch einen frei gewählten alternativen Forschungsansatz soll die Einheit gestiftet werden. An die Stelle der anderen Musik als Unterscheidungskriterium tritt der andere Musikbegriff. Ansätze dieser Art kommen auch ohne das vorangestellte popular- aus und werden z.B. auch unter dem Schlagwort New Musicology, Critical Musicology oder Alternative Musikwissenschaft gehandelt.45

Konsequenterweise müßte etwa eine radikalkonstruktivistisch inspirierte Studie über bestimmte Operationsmodi im Zusammenhang mit Wagners Rheingold eher als Popularmusikforschung anzusehen sein als die Schenker-Analysen von Beatles-Songs. Davon sind wir allerdings noch weit entfernt. Bislang fühlt sich offenbar auch niemand so recht für die wechselnden Moden im Marktsegment Klassik zuständig. So begrüßenswert eine Ausweitung des Verständnis von Popularmusikforschung beispielsweise in diese Richtung auch erscheint, so begreiflich wäre das Unwohlsein gestandener Afro-Amerikanisten angesichts einer derartig ungewohnten Thematik.

Offenheit scheint hingegen die Devise der PopScriptum-Redaktion zu sein, die laut Editorial zur ersten Ausgabe den Vorsatz hat, „daß möglichst unterschiedlichen Gegenstandskonzeptionen und Musikbegriffen Raum gegeben sein soll.“46

Helmut Rösing geht in den Beiträgen zur Popularmusikforschung noch einen Schritt weiter: „Gesetzt den Fall, wir wissen nicht, was „Populäre Musik“ genau meint, so spricht das meines Erachtens nicht gegen den Begriff. (...) Die spannende Aufgabe unseres Arbeitskreises besteht dann nämlich darin, durch Tagungen, Veröffentlichungen und sonstige Aktivitäten am begrifflichen Diskurs teilzuhaben, ihn mitzuprägen (...) und damit der Dynamik des Begriffs gerecht zu werden.“47

Charles Hamm würde es vielleicht so formulieren: Wir wissen nicht, worüber wir reden, aber das scheint kein Problem mehr zu sein.

Wenn auch ungewiß ist, was sich hinter dem Begriff Populäre Musik eigentlich verbirgt, so scheint unbestritten, daß dieses Forschungsfeld nicht Angelegenheit einer einzigen Disziplin ist. Die beliebte Forderung nach Multi- bzw. Interdisziplinarität gilt vielen jedoch schon erfüllt, wenn eine Person in mehreren Bereichen unbekümmert dilettiert oder mehrere Personen verschiedener Disziplinen gelegentliche Treffen vereinbaren, um teils einträchtig, teils besserwisserisch aneinander vorbeizureden.

Strukturelle Probleme der Interdisziplinarität treten zugegebenermaßen nicht nur in der akademischen Umgang mit Populärer Musik auf und lassen sich auch nicht so einfach aus der Welt schaffen. Eine Konsequenz aus diesen Beobachtungen wäre aber vielleicht das Bemühen um präzisere Themenstellungen. Dabei wäre zu fragen, warum in den Vorlesungsverzeichnissen noch immer der große Rundumschlag dominiert: „Geschichte der Popularmusik“, „Ausgewählte Fragen der Populären Musik“, „Aspekte der Popmusik“, „Ästhetik der populären Musik“ etc.? Wer zwingt uns eigentlich, in Untersuchungen zur Raver-Szene in Zürich oder den Songstrukturen auf frühen Police-Platten verallgemeinernd auf das aufgeblasene Konstrukt der Popularmusik zu schließen?


Es geht also nicht darum, den Nominalismusstreit wieder aufzuwärmen oder sich in vermeintlich „politisch korrekter“ Sprachhygiene zu üben. Nichts spricht dagegen, z. B. nach Kontinuitäten vom Work Song zum TripHop zu suchen, den Präferenzen Jugendlicher nachzugehen, Musik in den Massenmedien oder unter den Bedingungen der Kulturindustrie zu betrachten, solange dabei über Erkenntnisinteresse und Methoden reflektiert wird. Die Annahme, daß die genannten Fragestellungen jederzeit beliebig austauschbar, ja deckungsgleich seien und die Wissenschaft auf diese Weise eine Totalität namens Popularmusik zu fassen bekäme, wäre indes ein schwerwiegender Irrtum.


Die zunehmende Zahl von Seminaren und Vorlesungen „zur Populären Musik“ ist somit vermutlich weniger ein Zeichen für die Überwindung von Ausgrenzungen im akademischen Betrieb als der Beleg dafür, daß die Stigmatisierungsvokabeln akzeptiert und zum Gütesiegel für Dissidenz und Jugendlichkeit mutiert sind. Die Pflege eines Exoten-Status erscheint Popularmusik-Fachleuten vielfach attraktiver, als sich mühsam im offensiven Dialog mit den ausgrenzenden Institutionen herumzuschlagen.48


Popularmusik forever?


Hinter den Bemühungen, die ghettoisierenden Termini trotz aller Paradoxien zu retten, scheint nicht zuletzt die Absicht zu stehen, bestehende Forschungspraxis und mühsam erkämpfte Institutionen zu legitimieren. Das ist mit Blick auf die unbestreitbaren Fortschritte, die wir diesen Einrichtungen verdanken, zunächst ein ehrenwertes Anliegen. Fraglich erscheint indes, ob es sich dabei automatisch um ein tragfähiges Konzept für die Zukunft handelt. Bereits in einer „Address on the State of the Association”, bei der dritten internationalen IASPM-Konferenz 1985 bemerkte der Gründer dieser Organisation, daß die Unterscheidung von Populärer Musik hier und andersgearteter Musik dort, wie sie das „P” im Vereinsnamen nahelegt, eher „hypothetischer” Natur sei. Es sei nicht die Aufgabe des Vereins, diese Trennung zu perpetuieren:

Therefore, if IASPM still exists by the turn of the millenium, or if it has not changed its name to IASM (International Association for the Study of Music), then there is either something wrong with this ‘address’ or something very wrong with IASPM.49

12 Jahre später und drei Jahre vor der erwähnten Jahrtausendwende50 scheinen die verschiedenen Popul*usik-Bildungsinstitutionen jedoch immer häufiger mit ihren eigenen Jubiläumsfeierlichkeiten als mit der Infragestellung herrschender Musik-Klassifizierungen beschäftigt.

Anstelle einer erstarrten Popularmusikforschung als Kultgemeinschaft oder Koalition gegen das „Hochkultur-Gespenst51 brauchen wir kooperative Netzwerke zur Belebung des wissenschaftlichen Umgangs mit Musik.

Wie lange die Kategorie Popularmusik und ihre Anverwandten noch durch die Literatur geistern, bleibt abzuwarten. Heutzutage ist es üblich geworden, besseren Geschmack und Szenezugehörigkeit zu demonstrieren, indem man den als inferior betrachteten Rest als Mainstream disqualifiziert. Vielleicht wird dieser nicht minder problematische Stigmatisierungsbegriff zunehmend auch im akademischen Kontext Verwendung finden und die Rede von der Popularmusik ablösen.52 Die Ausgrenzungsprozesse und Terminologie-Diskussionen setzen sich jedoch weiter fort.

Kaffeepause!


LITERATUR



1Dauer (1993).

2z. B. Dauer/Hoffmann (1994).

3z.B. Hoffmann (1985).

4Metzger (1996a). Riessler trat in Quartettbesetzung mit Michel Portal, Jean-Louis Matinier und

Carlo Rizzo auf.

5ebd.; Iin diesem Falle sollte näher untersucht werden, mit welchen Mächten der Finsternis der Klarinettist im Bunde steht. Gegebenenfalls wären kirchenrechtliche Schritte gegen die Musiker einzuleiten.

6Metzger (1996b) S. 6.

7Metzger (1996b) S. 7.

8Metzger (1996b) S. 7.

9Jahrgang 1968, in Westdeutschland aufgewachsen und ausgebildet.

10vgl. z.B. Schmiedt (1996) für die Literaturwissenschaft, Bianchi (1996) für die Kunstwissenschaft, Bennett (1986) für die Kulturwissenschaft und Shusterman (1992) für die Philosophie.

11Zit. n. Der Musikmarkt ONLINE. News. URL am 19.06 1997: http://www.musikmarkt.de/auto/articles/875.html. Die Schiedsstelle beim Deutschen Patentamt bestätigte die Position der GEMA, begründete ihre Entscheidung allerdings nicht werk-, sondern veranstaltungsbezogen: „Der Schaucharakter und der Umfang des Konzerts sprechen gegen eine Einstufung als reines Konzert der Ernsten Musik im Sinne des Tarifs E.“
zit. n. GEMA Aktuell. URL am 20.08.1997 http://www.gema.de/aktuell.tenoere.html

12Karbaum (1995) S.17f.

13Dahlhaus (1984) S. 22.

14Wernsing (1995), S. 229.

15Ziegenrücker / Wicke (1989), S. 295.

16zit. nach: Horn (1995), S. 394; In Hamms Schriftfassung heißt es: „We’re not sure, what we’re talking about.“ Hamm (1982), S.3.

17Horn (1985). Eine Auswahl der Beiträge wurde von Günter Mayer auch in deutscher Übersetzung herausgegeben. Mayer (1991).

18vgl. Terhag (1989), 35f; Lugert hatte sich damals geweigert, einen künstlichen Begriff zu verwenden, der einerseits Unzusammenhängendes vereine, andererseits pejorative Konnotationen berge. Inzwischen hat er sich widerstrebend darauf eingelassen (z.B. Lugert 1987,1995).

19Das liegt zum Teil sicherlich an dem nicht nur in den Geisteswissenschaften verbreiteten Phänomen, daß vielen Leuten der Weg zur Bibliothek weiter und beschwerlicher erscheint als der zum Verlagshaus.

20Middleton (1990) insb. S. 3-7. Middletons Buch, hat sich - trotz einzelner Kritikpunkte - nicht nur im englischsprachigen Raum längst als Basislektüre etabliert, da es eine Fülle unterschiedlicher Forschungsansätze und Fragestellungen der letzten Jahrzehnte zusammenfaßt und diskutiert. In ASPM-Veröffentlichungen sind Spuren einer (kritischen) Rezeption dieses Buches, der einführenden Aufsatzsammlung On Record von Frith und Goodwin (1990) oder der Zeitschrift Popular Music hingegen nur selten zu finden. Das gilt bislang ebenso für jüngere Autoren wie Roger Behrens oder Johannes Ullmaier, oder Periodika wie Jazzthetik, Testcard oder die NZfM, die sich im März 1997 aufs Neue dem Thema „High&Low“ widmete. Wenigstens zeigt die Spex gelegentlich ein Herz für akademischen Britpop bzw. Cultural Studies.

21Glücklicherweise blieb das meiste davon bisher unveröffentlicht.

22„Programm des Konzerts der Popularmusik-AG am 11.07.96 18.00 Uhr im Musiksaal“. Programmzettel zum Semesterabschlußkonzert der Popularmusik-AG 11. Juli 1996, Musikwissenschaftliches Institut der Universität zu Köln [Fotokopie].

23“...let us consider ‘popular music’ to be all that music traditionally excluded from conservatories, schools of music, university departments of musicology, in fact generally excluded from the realms of public education and public financing in the capitalist world: this state of affairs is the reason for the existence of IASPM anyhow and ‘popular’ a shorter way of saying ‘traditionally excluded...’ and the like.“ Tagg (1985a), S. 502.

24z.B. die ANSCHLÄGE, Zeitschrift des Bremer Archivs für Populäre Musik (heute Klaus-Kuhnke-Archiv).

25Harker (1995), S. 452ff und (mit üppigerem Überbau) Harker (1996); vgl. auch Hamm (1989) S. 212f.

26Finscher (1994) IX. Der Teufel der Ausgrenzung steckt aber im Detail: So sucht man z.B. auch in der neuen MGG unter dem Stichwort Gitarre vergeblich nach Hinweisen auf die Innovationen eines Bob Dunn, Les Paul, Charlie Christian, Django Reinhardt, Jimi Hendrix oder Fred Frith. Stattdessen wird die Leserin zwischen - zweifellos lesenswerten - Ausführungen über Hans Werner Henzes Gitarren-Kompositionen aus den 70er Jahren und der E-Gitarren-Spieltechnik Daniel Kachambas in Malawi lediglich auf die Stichwörter Jazz bzw. Popmusik verwiesen. Vgl.: MGG Sachteil Bd. 3 (Eng-Hamb): Artikel Gitarre 1329-94.

27Terhag (1989).

28Dazu wäre auch Roger Behrens zu zählen, der beim „Techno“ pauschal „krude(n) Symbolismus“ attestiert, um ihn (zusammen mit der „Schlagermusik“) gegen die „avancierte Musik“ abzusetzen. Behrens (1996) 102f; Eine Parallele zeigt sich in Simon Friths Beobachtung, daß ein „wichtiges Element“ der Cultural Studies die Nostalgie sei: „Sie kommt in Studien zur Popmusik als liebevoller Blick zurück auf die Jugendzeit zum Ausdruck, läßt allerdings stärker noch den innigen Wunsch der Intellektuellen nachklingen, nicht intellektuell zu sein.“ Frith (1996) S.148.

29vgl. Tagg (1995).

30Horn (1995) S. 394.

31Wicke (1992) S. 9.

32Schoenebeck / Reiss / Noll (1994) S. 262.

33Rösing (1989) S. 11 u. 39.

34Kaden (1993), S. 200.

35Terhag (1989) S. 36.

36Wicke (1992) S.9.

37Rösing (1989) S.12f.

38Dahlhaus (1984) S. 18.

39Horn (1995) S. 394.

40Wicke (1992) S. 39.

41Rösing (1996) 109. Damit sind kaum noch Unterschiede zur Neukonzeption der Systematischen Musikwissenschaft auszumachen, wie sie Rösing bereits drei Jahre zuvor angeregt hatte, vgl.: Rösing (1993) S.52ff.

42zum Problem der Popularitätsmessung vgl. Hamm (1985).

43Der jüngste Versuch, Adornos und Horkheimers Ideen zur Kulturindustrie in einer Art Frankfurter Abendschule wiederaufzunehmen stammt von Behrens (1996).

44Die ideologischen Implikationen der beliebten Gegenüberstellung von Afro-amerikanischer Musik einerseits und Europäischer Musik andererseits führt Taggs Open Letter von 1989 ad absurdum; vgl. Tagg (1989). Weitere Hinweise auf den Zusammenhang zwischen reduktionistischer europäischer Musikgeschichtsschreibung und der Konstruktion der Popularmusik-Kategorie finden sich neben Dauer (1993) z.B. bei Reinecke (1992) und Tagg (1996)

45Das heißt jedoch nicht zwangsläufig, daß all diese Ansätze tatsächlich neu, kritisch oder alternativ sind, wie die Namen suggerieren. Nicht minder irreführend sind jedoch Zeitschriftentitel wie Archiv für Musikwissenschaft oder Musikforschung, hinter denen sich nicht etwa das gesamte Spektrum der Musikwissenschaft, sondern fast ausschließlich biographisch-historische oder quellenkundliche bzw. werkästhetische Betrachtungen verbergen.

46PopScriptum 1 (1992) S. 5.

47vgl. Rösing (1996) S. 109.

48David Horn spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer generellen Furcht seiner Kollegen vor jeder Art von Institutionalisierung und damit verbundenen „risks of incorporation“. „(...) institutionalisation may suggest a process of circumscribing, of losing alternative status, of making respectable.“ Horn (1995) S. 396f.

49Tagg (1985b) S. 7f.

50Tagg versichert heute, daß er seinerzeit nicht das Jahr 3000 im Blick hatte.

51vgl. Wyss (1997) S.123.

52Vgl. hierzu z.B: Jacob (1996) 136f.

1